348 Views | 09.08.2016 | 08:49 Uhr
geschrieben von Simon Kucher

Deutsche Bahn AG (Berlin)

Deutsche Bahn im Vergleich lächerlich und ärgerlich!

Liebeserklärung an die SBBDie Schweizer wissen nicht, was sie an ihrer Bahn haben.

SCHLAGWORTE

Willkommen im Reich der Pünktlichkeit: Zug an der Eröffnungsfeier des neuen Gotthardtunnels. Foto: Gabriele Putzu (Keystone)

Martin Ebel
Redaktor Kultur
02.08.2016

  • Was man hat, weiss man nicht zu schätzen. Das hat der Philosoph Arthur Schopenhauer am Beispiel der Gesundheit dargelegt: Erst wenn sie fehlt, wissen wir, was wir an ihr hatten. Mir scheint, die Schweiz verfährt gerade ebenso mit ihrer Bundesbahn. Sie ist uns zu selbstverständlich geworden. Wir machen uns einen Sport daraus, an ihr herumzunörgeln. Und lesen wir nicht fast täglich von Fehlern und Versäumnissen, von Verschwendung und Missmanagement? Ein Werbespot, der allen Ernstes mit Szenen häuslicher Gewalt Kunden anlocken will! Fremdes spanisches Gestein statt des einheimischen aus dem Tessin! Mietwucher in den Läden der Bahnhöfe! Überrissener Lohn für den Chef!

Kann sein, dass das echte Versäumnisse des Unternehmens sind. Da es sich um ein Staatsunternehmen handelt, wiegen sie in den Augen der Öffentlichkeit besonders schwer. Es stehen ja die sogenannten Monopolisten (die SRG kann ein Lied davon singen) bei der Bevölkerung – oder nur bei bestimmten Parteien und Medien? – unter Generalverdacht. Zu fett, zu teuer, zu abgehoben. Kann man da nicht sparen, abspecken, privatisieren? Eine entsprechende Initiative lancieren? Die SBB stecken in einer Zwickmühle: Verpflichtet auf den Service public, sollen sie zugleich unternehmerisch denken. Militärtaktisch betrachtet: Deckt man die eine Flanke, entblösst man die andere.

Es wird Zeit, vom Wesentlichen zu sprechen: dem Bahnverkehr. Die SBB sind dazu da, ein dichtes, zuverlässiges Verkehrsnetz durch die Schweiz zu unterhalten. Und dass die SBB diese Aufgabe erfüllen, hervorragend erfüllen, kann niemand ernsthaft bestreiten.

Ich kenne die japanischen Bahnen nicht, von denen man sich Wunderdinge erzählt. Sonst bin ich ziemlich herumgekommen in Europa und anderswo. Nirgendwo habe ich etwas Gleichwertiges erlebt, nirgendwo etwas, das auch nur annähernd an die SBB heranreicht.

Man schaue nur nach Deutschland

Man schaue nur einmal in die Nachbarländer. In Frankreich gibt es Züge, die schneller fahren. Aber dafür wird dort immer wieder gestreikt. In Italien fahren die Züge langsamer, gestreikt wird auch dort gern und oft. In Deutschland – ach! was für ein trübes Kapitel! Dort gibt es alles: Streiks, notorische Verspätungen, falsch gereihte Zugkompositionen, Oberleitungsschäden, Maschinenschäden, witterungsbedingte Schäden. kurz: Wer in Deutschland einen Termin hat, den er mit der Bahn erreichen will, tut gut daran, einen Zug zu nehmen, der zwei Stunden früher programmiert ist.

Wer atmet nicht, von Norden kommend, auf, wenn er die Schweizer Grenze überquert hat und ins Reich der Verlässlichkeit und Pünktlichkeit eintritt! Hier sind die Züge so eng getaktet, dass man, ist einer verpasst, baldigen Ersatz mit dem nächsten findet. Und ist die direkte Strecke zwischen Basel und Zürich einmal gestört, gibt es die Ausweichstrecke über Frick und Brugg. Ein kleiner Umweg, das bedeutet vielleicht fünf Minuten Verspätung, wofür sich der Zugchef ausdrücklich entschuldigt; man merkt, wie peinlich es ihm ist. Wenn in Südbaden auf der Rheintalstrecke ein Zug liegen bleibt, was nicht selten vorkommt, geht stundenlang zwischen Nord und Süd nichts mehr.

Um mit dem Loblied fortzufahren: In der Schweiz gelangt man mit SBB und Postauto in die entlegensten Orte; egal, wie oft man umsteigen muss: Die Verbindungen klappen, bis zur Bergbahn, auf die Minute genau. Das Preissystem ist von genialer Einfachheit – was jeder bestätigen wird, der sich mal an deutschen Automaten (oder Schaltern) im Labyrinth der Sparpreise, Zuschläge und Zugbindungen verirrt hat. In der Schweiz gibt es den vollen Preis und den halben und basta. Und schliesslich: Die Schweizer Bahnangestellten sind freundlich und hilfsbereit. Ich habe schon erlebt, wie ein Kontrolleur einen hilflosen Ausländer (ohne Billett!) zum Flughafen gelotst hat – nachdem er per Telefon die beste Verbindung herausgefunden hatte.

Die Schweiz ist ein Land der Mobilität. Hier wohnen, da arbeiten, sich dort amüsieren, alles per ÖV: Auch das ist uns selbstverständlich. Wir halten es für ein Menschenrecht. Die SBB liefern die Voraussetzungen dafür. Für einen Lebensstil, den man erst zu schätzen weiss, wenn er fehlt.

(Tages-Anzeiger)

(Erstellt: 02.08.2016, 20:20 Uhr)

Beschwerde bewerten!
Meine Forderung an Deutsche Bahn AG: Keine


 
Richtet sich diese Beschwerde gegen Ihr Unternehmen?


Minimieren ÄHNLICHE BESCHWERDEN
Minimieren BESCHWERDE TEILEN
Minimieren BESCHWERDE KARTE
DIESES FENSTER IST FREI BEWEGLICH
close
Kommentieren Sie die Beschwerde hier:
Bild hochladen   Hilfe
Bitte lesen Sie unsere Nutzungsbedingungen , bevor Sie Ihren Kommentar abschicken. Wir behalten uns das Recht vor, inakzeptable oder kompromittierende Textinhalte zu löschen bzw. die Inhalte auf Ihre Glaubwürdigkeit zu überprüfen.
Alle Kommentare per E-Mail abonnieren
DIESES FENSTER IST FREI BEWEGLICH
close
Sie können Ihrem Kommentar max. 4 Fotos hinzufügen. Diese müssen im Format JPG, PNG oder GIF mit einer Dateigröße bis 5 MB pro Bild vorliegen. Mit dem Bereitstellen versichern Sie, die Urheberrechte zu besitzen und keine Rechte Dritter zu verletzen.
DIESES FENSTER IST FREI BEWEGLICH
close
Sie können Ihrem Kommentar max. 0 Videos hinzufügen. Diese müssen im Format AVI, MPG oder MOV mit einer Dateigröße bis 20 MB pro Video vorliegen. Mit dem Bereitstellen versichern Sie, die Urheberrechte zu besitzen und keine Rechte Dritter zu verletzen.
DIESES FENSTER IST FREI BEWEGLICH
close
In Ihrem Beitrag sind Begriffe enthalten, die uns veranlassen, diesen Beitrag vor der endgültigen Freigabe zu prüfen. Wir bitten Sie um Ihr Verständnis.
DIESES FENSTER IST FREI BEWEGLICH
close
Die Frist zur Kommentareditation ist abgelaufen.
DIESES FENSTER IST FREI BEWEGLICH
close
Beschwerde drucken:


Diese Seite verwendet Cookies. Wenn Sie auf der Seite weitersurfen, stimmen Sie der Cookie-Nutzung zu. Mehr Infos OK, alles klar!