Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (Bonn)
Medienzensur - eine endlose Verstümmelung
Ist eine Misere erst mal lange genug etabliert, gilt sie als normal. So im Falle der Filmzerschneidung und Indizierung, veranlaßt durch die FSK oder der Bundesprüfstelle für jugendgefährende Schriften (heute: Medien). Hielten sich deren Auflagen bis Anfang der 80er noch im Rahmen des Erträglichen, so geriet man seitdem in eine sich steigernde Massakrierwut.
Es haben sich bereits 2 ReclaBoxler angeschlossen.
Seitdem sind unzählige Filme zerkürzt, indiziert oder mit Totalverbot belegt. Da nur wenige Filminteressierte den Vergleich mit ausländischen Fassungen durchführen können, ist man sich über das Ausmaß der Verstümmlung kaum im Klaren. Und gerade weil man die geschnittenen Szenen und die Begründung für dessen Liquidierung nicht kennt, ist mancher Zeitgenosse so naiv, dahinter ein rationales Konzept zu vermuten. Als Gegengift zu dieser Gutgläubigkeit sollte sich einmal die Begründungen für Schnitte und Indizierungen durchlesen (die kann man sich nämlich zukommen lassen).
Beispiel: "From Dusk till Dawn". Die Kommission der Bundesprüfstelle hält die Szene, in der Quentin Tarantino sich einbildet, dass Juliette Lewis ihm ein obszönes Angebot macht, für unklar: Ist es nur Halluzination oder Realität? - Nun, es bedarf keiner cineastischen Vorbildung, um das zu erkennen: Man sieht Juliette Lewis darin mit subjektiver Kamera aus Tarantinos Perspektive, ein darauffolgender Gegenschnitt entlarvt die Halluzination augenblicklich. Auch Juliette Lewis' spätere Irritation, wenn der verwirrte Tarantino sie auf ihr "Angebot" anspricht, ist eindeutig. Letztere Szene ist jetzt, in der verstümmelten Ab-16-Version, natürlich restlos unverständlich.
Dem Einwand der Kunstfreiheit begegnet die Kommission mit Zitieren der damaligen Tageszeitungskritiken, d.h. sie hat selbst keine eigenen Urteilskriterien. Die hat sie auch nicht in Bezug auf ein fundiertes Menschenbild, das den Schaden diverser Szenen beweisen würde.
Stattdessen ein Das-ist-doch-klar"-Argumentieren, ein Apell ans gesunde Volksempfinden". So wie es die Boulevardzeitungen bei jugendlichen Amokläufern tun: Der junge Täter, unter grausigsten Umständen aufgewachsen, Hundert mal vergewaltigt und diskriminiert worden - alles kein Problem. Nein, das eine Brutalvideo, das er sich reinzog, ist der Auslöser für die Tat...!
Hier ist die Sündenbockfunktion ultraeindeutig. Haben die wesentlich toleranteren Niederlanden, die noch nicht einmal ein Ab-18 kennen, sondern deren höchste Altersgrenze bei 16 Jahren liegt, die viel weniger rumschneiden, etwa eine höhere Kriminalitätsrate? Das festzustellen, wäre eine ernstzunehmende empirische Grundlage für künftiges Handeln. Stattdessen werden hier Videotheken an den Rand des Ruins schikaniert (wie das "Videodrom" in Berlin), werden Erwachsene auf der Grundlage eines spekulativen Menschenbildes konditioniert. Es sind nicht unbedingt die friedlichsten Gesellschaften, die eine saubere Leinwand (oder Bildschirm) propagieren...