1161 Views | 11.07.2012 | 12:22 Uhr
geschrieben von Benjamin Mensch

amajo GmbH (Berlin)

Stornogebühren 70%

Der Reiseveranstalter verlangt 70% Stornogebühren, obwohl es eindeutige Gerichtsurteile gibt, die besagen, dass dies zuviel ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Bestätigung. Zu Ihrer Aufforderung 70% des Reisepreises 24 Tage vor Reisebeginn anzufordern, teile ich Ihnen folgendes mit: Das Gesetz ist in diesem Punkt eindeutig. § 651i BGB regelt:

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"(1) Vor Reisebeginn kann der Reisende jederzeit vom Vertrag zurücktreten.

(2) Tritt der Reisende vom Vertrag zurück, so verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Er kann jedoch eine angemessene Entschädigung verlangen. Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich nach dem Reisepreis unter Abzug des Wertes der vom Reiseveranstalter ersparten Aufwendungen sowie dessen, was er durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen erwerben kann.

(3) Im Vertrag kann für jede Reiseart unter Berücksichtigung der gewöhnlich ersparten Aufwendungen und des durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen gewöhnlich möglichen Erwerbs ein Vomhundertsatz des Reisepreises als Entschädigung festgesetzt werden."

Von diesen Regelungen darf nicht zum Nachteil des Reisenden abgewichen werden (§ 651 m BGB). Sie weichen mit der Forderung von 70% Stornokosten explizit zu meinem Nachteil ab. Ich verweise hiermit nochmals auf die Entscheidung des OLG Frankfurts.

Des Weiteren verstößt Ihre Klausel in ihrer Ausgestaltung gegen § 9 II Nr. 1 AGB-Gesetz, denn sie enthält eine unangemessene Benachteiligung der Kunden. Sie gilt nach ihrem Wortlaut nämlich einschränkungslos. Den Reiseteilnehmern wird selbst bei erheblichen Preissteigerungen nicht das Recht zur Lösung vom Vertrag zugebilligt, und es ist keine Bestimmung darüber in der Klausel enthalten, bis zu welchem Betrag, gegebenenfalls bis zu welcher Größenordnung, automatische Preiserhöhungen aufgrund der Erhöhung der Beförderungstarife, Steuern und öffentlichen Abgaben hinzunehmen sind.

Der Senat hat in seinen Entscheidungen 6 U 185/79 (BB 1980, 1550) und 6 U 30/80 (WRP 1981, 396) darauf hingewiesen, dass Preisänderungsklauseln gegenüber Letztverbrauchern in AGB unwirksam sind, wenn sie einschränkungslos gelten sollen und nicht eine Lösungsmöglichkeit vom Vertrag eröffnen. Dem stimmt auch Micklitz (BB 1981, 635) mit gewissen Einschränkungen zu. Zwar ist hier anders als in den entschiedenen Fällen die Berechtigung zur Preiserhöhung an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Aber gerade die Beförderungsentgelte können sich grundlegend verändern, denn sie sind von der internationalen Entwicklung, den Preisen für Kraftstoffe und dem Verhältnis der Währungen zueinander, soweit es sich um IATA-Preise handelt, abhängig (vgl. dazu Urteil des Senats 6 U 111/81).

Der Verbraucher, dessen Möglichkeiten, die Vertragsfreiheit für sich in Anspruch zu nehmen, durch die AGB beschränkt sind, darf hier nicht einseitig festgelegt werden, vielmehr muss für ihn die Möglichkeit bestehen bleiben, gerade bei besonders erheblichen Veränderungen der Beförderungsentgelte, die auf den ihm berechneten Preis durchschlagen, sich vom Vertrage lösen zu können.

Auch die Klausel über die pauschalierte Berechnung der Kosten im Falle des Rücktritts ist unwirksam. Es kann dahingestellt bleiben, ob Ihre Kosten betriebswirtschaftlich zutreffend und vertretbar kalkuliert sind. Selbst wenn das der Fall ist, ist diese Klausel wegen eines Verstoßes gegen § 9 11 Nr. 1 AGB-Gesetz unwirksam. Sie weichen nämlich bei der Berechnung von der zwingend (§ 651 k BGB) im Gesetz (§ 651 i II BGB) vorgesehenen Berechnungsweise ab. Zwar dürfen Sie auch pauschaliert (§ 651 i III BGB) eine angemessene Entschädigung unter Berücksichtigung der ersparten Aufwendungen und der anderweitigen Verwendung der Reiseleistung verlangen.

SCHLAGWORTE


Doch 70% von runden 1.300 EUR = 910,00 EUR, bedeuten, dass Sie letztendlich noch Aufwendungen von 910,00 EUR für eine Reise haben, die 24 Tage vor Beginn storniert wird. M. E. und aus der Kenntnis der Buchhaltung von anderen Reiseveranstaltern kann dies nicht möglich sein. Sie bringen ja auch in der Klausel zum Ausdruck, dass Ihnen "pauschalierte Rücktrittsgebühren" zustehen sollen. Es ist der Klausel nicht zu entnehmen, dass Sie auf der vom Gesetz (§ 651 i II BGB) vorgesehenen Berechnungsweise aufbaut, und ob Sie diese zum Inhalt hat oder nicht. Nur wenn das der Fall wäre, könnte angesichts der zwingenden Bestimmung des § 651 i III BGB die Wirksamkeit der Klausel in Betracht kommen.

Darüber hinaus ist die Klausel aber auch wegen eines Verstoßes gegen § 11 Nr. 5 b AGB-Gesetz unwirksam. Soweit Löwe (in: MünchKomm, § 651 e Rdnr. 14) und Erman-Seiler (BGB, 7. Aufl., § 651 i Rdnr. 8) ausführen, derartige Pauschalen könnten an der Vorschrift des § 11 Nr. 5b AGB-Gesetz nicht gemessen werden, treffen deren Bedenken für den hier vorliegenden Fall nicht zu, denn die genannten Autoren sind nur der Auffassung, dass Klauseln, die den Vorschriften des § 651 i II, III entsprechen, an § 11 Nr. 5 b AGB-Gesetz nicht zu messen seien. Hier aber ist, wie ausgeführt, die Klausel inhaltlich nicht nach § 651 i II, III BGB gestaltet.

Dann aber darf mir nicht der Nachweis abgeschnitten werden, ein Schaden sei überhaupt nicht oder in wesentlich geringerem Umfang eingetreten, § 11 Nr. 5 b AGB-Gesetz. Das geschieht durch die beanstandete Klausel. Zwar besagt sie das nicht ausdrücklich. Es mag auch nicht erforderlich sein, dass in der Klausel ausdrücklich die Möglichkeit des Gegenbeweises verlautbart wird (so Frank-Werner, BB 1977, 21; Hensen, in: Ulmer-Brandner-Hensen, AGB-Gesetz, 3. Aufl., § 11 Nr. 5 Rdnr. 18; Löwe, in: Löwe-Graf v. Westphalen-Trinkner, AGB-Gesetz § 11 Nr. 5 Rdnr. 12, gegen Schlosser, in: Staudinger-Schlosser, § 11 Nr. 5 AGB-Gesetz Rdnr. 20); § 11 Nr. 5 b AGB-Gesetz ist aber bereits dann verletzt, wenn sich aus der Formulierung der Klausel ergibt, daß der Gegenbeweis ausgeschlossen sein soll (Palandt-Heinrichs, BGB, 41. Aufl., § 11 AGB-Gesetz 5b bb; OLG Stuttgart, NJW 1981, 1106; Senat in 6 U 14/80).

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Für mich als den Kunden wird aber dadurch gerade nicht erkennbar, dass auch er bei einer Auseinandersetzung den Anspruch bestreiten kann. Mir wird - in Abweichung von dem Gesetz - ein geschlossenes System dargestellt. Mir wird die Möglichkeit genommen, überhaupt zu erkennen, dass ich gegenüber Ihnen eine andere Rechtsposition, und zwar eine für mich günstigere, einnehmen kann. Dadurch wird für mich als Ihren Vertragspartner, der die Gestaltungsmöglichkeiten der Vertragsfreiheit einseitig für sich in Anspruch nimmt, die rechtliche Lage weiter erschwert. Das aber stellt eine unangemessene Benachteiligung dar.

Auch die die Umbuchung betreffende Klausel ist wegen Verstoßes gegen das AGB-Gesetz unwirksam. Die Unwirksamkeit dieser Klausel folgt bereits aus der Verknüpfung mit der Klausel über die Berechnung der Pauschalgebühren.

Ein weiterer, die Unwirksamkeit der Klausel ergebender Grund ist deren Verstoß gegen § 10 Nr. 5 AGB-Gesetz. Die Klausel betrifft die im Falle einer Änderung der Reise zusätzlich anfallenden Kosten, wobei sich aus dem Zusammenhang mit der vorangehenden Bedingung ergibt, dass auch Änderungen hinsichtlich des Reisetermins, des Reiseziels, der Unterkunft, der Beförderungsart und der Abflughäfen betroffen sind. Der Vertragspartner, der eine derartige Änderung des Reisevertrages begehrt, gibt dadurch nicht etwa zu erkennen, dass er einen neuen Reisevertrag abschließen wolle, sondern er möchte nur einzelne Leistungen austauschen. Sie aber behandeln diesen Antrag auf Änderung des Reisevertrages als einen Rücktritt verbunden mit einem Neuabschluss. Damit geben Sie der Willenserklärung ihres Kunden eine Inhaltsbestimmung, die dieser nicht vorgenommen hat, sie fingieren damit eine Rücktrittserklärung. Gerade solche Fiktionen will das Gesetz in § 10 Nr. 5 AGB-Gesetz dem Verwender von Klauseln unmöglich machen, da auch hierdurch die Gleichordnung zwischen den Vertragspartnern in erheblichem Maße gestört wird.

Angesichts dieser o. g. gesetzlichen Tatsachen können Sie sehr gerne die Angelegenheit Ihrer Rechtsabteilung übergeben. Sollte keine gütliche Einigung erfolgen, können wir das alles sehr gerne gerichtlich ausfechten.

Über Ihr unangemessenes Verhalten werde ich mich in der Reclabox beschweren, sowie bei der Verbraucherschutzzentrale.

Hochachtungsvoll

From: Ahmad Abbas Sent: Wednesday, July 11, 2012 11:07 AM To:
Subject: AW:

Sehr geehrter Herr,

wir werden Ihren Vorgang gemäß unseren AGB mit 70 % Stornokosten vom Gesamtreisepreis stornieren und Ihren Vorgang unserer Rechtsabteilung übergeben.

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Kommentare und Trackbacks (4)


31.07.2012 | 01:20
von ReclaBoxler-1287453 | Regelverstoß melden
Ich finde Ihre Ausführungen schon interessant. Sie haben sich jede erdenkliche Mühe gegeben, einen juristischen Laien zu verwirren, . Eine Beschwerde ist das sicherlich nur begrenzt, eigentlich eher eine rechtliche Ausarbeitung.

Ich denke hierzu nur Folgendes:

Wenn das Amajo für Sie in - sagen wir einmal - Timbuktu verbindlich ein Hotel gebucht hat, und hier eine Stornierung nicht mehr möglich ist (AGB in Timbuktu), bleibt ja der Reiseveranstalter defintiv auf diesen Kosten sitzen. Wenn es sich hierbei um die von Ihnen angeführten 910. - Euro handelt, würde ich Ihnen diese auch nicht erstatten. Warum sollten die das machen?

02.08.2012 | 13:35
von Benjamin Mensch | Regelverstoß melden
Ich glaube, dann haben Sie nicht so recht kapiert um was es da geht. 70% Stornokosten für eine 26 Tage vor Abreise stornierte Reise sind Wucher und nicht mit dem Gesetz vereinbar. Leider versuchen immer wieder zwielichte Reiseanbieter erhöhte Stornokosten zu erzwingen, in dem Fall ist es Amajo, welche mit Unister zusammen arbeiten und kurioserweise hat nur Unister diese widerrechtlichen AGB's. Also sorry, aber ich denke Sie sollten Beschwerden genauer lesen. Es ging nicht um eine Rückerstattung von Geld, sondern um angemessen festgesetzte Stornierungsgebühren. Und es ist ein Unterschied ob das Hotel in Timbuktu oder in einem anerkannten Urlaubsland liegt, denn diese Hotels sind in der Regel schneller ausgebucht, als Hotels in Timbuktu. Sei es wie es will, der Kommentar ist leider unnötig und geht an der Realität vorbei.

14.08.2012 | 10:15
von ReclaBoxler-1287453 | Regelverstoß melden
 spider monkey Benjamin Mensch

Vielleicht haben Sie nicht verstanden, was ich sagen will. Deswegen noch einmal:

Wenn der Reiseveranstalter nachweisen kann, dass im der Schaden in dieser Höhe entstanden ist, haben Sie wohl keine Chance auf Korrektur. Bevor ich als Unternehmen auf diesen Kosten sitzen bleibe, werde ich mich bei Ihnen schadlos halten. Das muss natürlich in den AGB deutlich zum Ausdruck kommen.

Mit dem Link

www.frag-einen-anwalt.de/Stornogebuehren-40-__f39199.html

bestätigen Sie es ja selbst.

Natürlich kann es sich in Ihrem Fall um eine maßlos zu hohe Gebühr handeln. Aber das wäre wohl nur über den Klageweg zu klären. Dabei wünsche ich Ihnen selbstverständlich viel Erfolg.

Timbuktu war natürlich nur ein Beispiel. Hätte auch New York oder Peking heißen können.

04.10.2014 | 13:57
von Klaus Schlesinger | Regelverstoß melden
'"Verlangt daher ein Kreuzfahrtveranstalter bei einem Rücktritt bis zum 60. Tag vor Reiseantritt eine Stornoentschädigung in Höhe von 50 Prozent des Reisepreises und liegt damit weit über dem Durchschnitt der Branche, dürfte die Pauschale unangemessen hoch und damit unwirksam sein, " mutmaßt Fischer-Volk.
Die Klausel muss zudem den deutlichen Hinweis enthalten, dass der Reisende einen geringeren Schaden als die Pauschale nachweisen kann, " so die Juristin. Fehlt dieser Hinweis, sei die Regelung ohnehin unwirksam und der Veranstalter müsste den tatsächlichen Schaden plausibel darlegen.

War beispielsweise die Reise später ausgebucht, weil der Veranstalter Ersatz gefunden hat, könne den Urlaubern nur ein geringeres Umbuchungsentgelt berechnet werden.

Für Flugpauschalreisen kann folgende Stornostaffelung Anhaltspunkt für eine Angemessenheitsprüfung sein:

Bis 30 Tage vor Reiseantritt 20 Prozent

Ab dem 29. Tag bis 22. Tag 30 Prozent

Ab dem 21. Tag bis 15. Tag 40 Prozent

Ab dem 14. Tag bis 7. Tag 50 Prozent

Ab dem 6. Tag 55 Prozent

Bei Nichtantritt 75 Prozent

Bezweifeln Reisende die Angemessenheit der jeweiligen Stornopauschalen, so können sie diese in der Verbraucherzentrale überprüfen lassen. ' Quelle: www.vzb.de/reise-stornokosten-oft-ueberhoeht-verbraucherzentrale-raet-zu-angemessener-kuerzung-1



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